Digitale Kompetenzen
Digitale Kompetenzen (meist begrifflich mit IKT-Kompetenzen, das heisst Kompetenzen in Informations- und Kommunikationstechnik, gleichgestellt) gehören zu den fundamentalen Kompetenzen, die im privaten und beruflichen Alltag vorausgesetzt werden. Ihre Bedeutung wächst dabei immer schneller. Zentral sind in diesem Zusammenhang Fähigkeiten, um digitale Geräte, Anwendungen, Inhalte und Zugänge nutzen und aktiv gestalten zu können. Was genau zu den digitalen Grundkompetenzen gehört bzw. wie diese definiert werden, ist stark vom kontextuellen Umfeld sowie den gesellschaftlichen und persönlichen Anforderungen abhängig. Die voranschreitende Digitalisierung der Gesellschaft macht deutlich, dass digitalen Grundkompetenzen in Alltag und Beruf grosse Bedeutung zukommt.
Die Zahl von Personen mit fehlenden Grundkompetenzen variieren je nach Erhebung, sind aber generell hoch: Die Erhebungen vom Bundesamt für Statistik zu digitalen Kompetenzen beschreibt, dass rund 22 % der Schweizer Bevölkerung über geringe oder gar keine digitalen Grundkompetenzen verfügt (Omnibus 2023). Laut dem Digitalbarometer 2024 sind es gar 31 % der Schweizer Bevölkerung. Fehlende Grundkompetenzen haben für die Betroffenen teils schwerwiegende Folgen, von der erschwerten Teilhabe an der Gesellschaft bis hin zum Ausschluss aus der Arbeitswelt. Besonders Personen mit tiefer Bildung, hohem Alter und niedrigem Einkommen haben ein erhöhtes digitales Exklusionsrisiko (Digitalbarometer 2024).
Definition digitale Grundkompetenzen
Digitale Grundkompetenzen lassen sich in einer allgemeinen Form wie folgt zusammenfassen:
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Digitale Grundkompetenzen beschreiben die Fähigkeit, Anwendungen und Programme auf verschiedensten Geräten (Computer, Touchpad, Smartphone, Billettautomaten etc.) zu nutzen und damit Inhalte abzufragen, zu verändern und/oder zu erstellen.
Im Zusammenhang mit digitalen Kompetenzen ist der englische Begriff ‘Digital Literacy’ weit verbreitet. Er ist mit dem Konzept der Literalität verwandt und bettet die Fertigkeiten des Lesens und Schreibens in den heutigen Kontext digitaler Technologien ein. Zentral sind dabei der Umgang mit Informationen sowie das Know-how, grundlegende alltägliche Aufgaben mithilfe digitaler Technologien erfüllen zu können. Aufgrund der steigenden Komplexität und Verschachtelung unterschiedlicher Kompetenzen und Begriffe ist auch von ‘Multiple Literacies’ oder ‘Transliteracies’ die Rede. Damit werden die bestehenden Definitionen um eine kulturelle Dimension ergänzt. Hierfür spricht auch, dass digitale Technologien nicht nur zur Informationsbeschaffung, sondern genauso zur Unterhaltung und zum gesellschaftlichen Austausch genutzt werden. Entsprechend wird umso deutlicher, dass digitale Kompetenzen nicht losgelöst vom kontextuellen Umfeld betrachtet werden können.
Ob die individuellen digitalen Kompetenzen ausreichend sind, ist wesentlich durch die gesellschaftlichen und beruflichen Anforderungen bedingt. Unzureichende Kenntnisse im Bereich der digitalen Grundkompetenzen sind entsprechend nicht in einem allgemeinen Sinne definiert. Einerseits sind in verschiedenen Alltagssituationen oder Berufsfeldern unterschiedliche digitale Fähigkeiten gefragt. Andererseits ergeben sich abhängig vom jeweiligen Sozialmilieu unterschiedliche Problemfelder. Schliesslich entstehen individuelle Lücken zunehmend als Folge des technologischen Wandels und der gesellschaftlichen Entwicklung. So werden bestimmte digitale Fertigkeiten, die früher nur von Expert*innen beherrscht wurden, heute als selbstverständlich vorausgesetzt.
Das SBFI bezieht sich dieser Logik folgend in seinem Orientierungsrahmen (SBFI 2019) zu den digitalen Kompetenzen auf alltägliche Aufgaben des Privat- und Berufslebens, für deren Bewältigung unterschiedliche digitale Kompetenzen notwendig sind. Kompetenzlücken liegen entsprechend dann vor, wenn eine problemlose Bewältigung dieser Situationen nicht gegeben ist, beispielsweise wenn:
- die Teilhabe am sozialen Leben erschwert wird
- die Kommunikation mit dem Umfeld beeinträchtigt ist
- alltägliche Handlungen nur eingeschränkt möglich sind
- Probleme bei der Informationsbeschaffung bestehen
- mit der technologischen Entwicklung am Arbeitsplatz nicht mehr Schritt gehalten werden kann
- politische Rechte nur begrenzt wahrgenommen werden können
Mit den steigenden Anforderungen an die digitalen Grundkompetenzen sind zunehmend auch Personengruppen von Schwierigkeiten im Bereich der digitalen Kompetenzen betroffen, die bisher den sozialen und beruflichen Anforderungen genügten. Dies unterstreicht, dass diesbezügliche individuelle Kompetenzlücken stets situativ definiert werden müssen und sich graduell in Abhängigkeit der Anforderungen entwickeln. Als mögliche Orientierungshilfe im Hinblick auf diese situativ-graduelle Definition bzw. zu deren weiteren Differenzierung kann folgende dreistufige Unterteilung nach Grundfertigkeiten, Befähigung und Kreativität dienen (angelehnt an das Modell von Coffin Murray und Pérez 2014):
- 1. Kompetenzebene ’Grundfertigkeiten’: Bei Defiziten im Bereich der ‘Grundfertigkeiten’ (englisch Literacy) ist davon auszugehen, dass alltägliche digitale Anwendungen Schwierigkeiten verursachen. Beispielsweise kann lediglich ein begrenzter Funktionsumfang eines Smartphones oder eines Computers genutzt werden. Dadurch sind der Zugang zu Informationen als auch Kommunikationsmöglichkeiten deutlich eingeschränkt. Betroffenen droht der soziale Ausschluss. Ausserdem ist zu erwarten, dass die berufliche Integration schwerfällt, da diese Grundfertigkeiten im Berufsleben gefragt sind.
- 2. Kompetenzebene ‘Befähigung’: Digitale Defizite auf Stufe ‘Befähigung’ (englisch Aptitude) zeigen sich im Bereich der Informationsbeschaffung, der Entwicklung eigener Problemlösungsstrategien und der fundierten Entscheidungsfindung. Betroffenen macht es Mühe, digitale Medien über Standardanwendungen hinaus zu nutzen oder erweiterte Problemlösungsansätze durch Kombination digitaler Anwendungen zu entwickeln. Schwierigkeiten werden dabei oft erst auf den zweiten Blick sichtbar, indem etwa die Plausibilität von Informationen und/oder Anweisungen nicht überprüft werden kann oder wenn eine erhöhte Anfälligkeit für digitale Risiken (Virenbefall, Scam/Vorschussbetrug, Verlust der Privatsphäre etc.) besteht. Darüber hinaus sind Betroffene weniger selbständig und bei komplexeren Aufgaben auf externe Hilfe angewiesen. Die fortschreitende Digitalisierung der Gesellschaft erfordert zunehmend Kompetenzen auf dieser Ebene, da sie als Voraussetzung für eine selbstbestimmte und problemorientierte Vorgehensweise in Beruf und auch im privaten Alltag gelten.
- 3. Kompetenzebene ‘Kreativität’: Die höchste Kompetenzebene ‘Kreativität’ (englisch Creativity) beschreibt das fortgeschrittene Verständnis von technischen Zusammenhängen und der Funktionsweise verschiedener Technologien. Es erlaubt neue digitale Inhalte zu schaffen und/oder zu verändern. Ob fehlendes Wissen auf dieser Ebene als Kompetenzlücke bezeichnet werden kann, ist jedoch fraglich. Zwar bringt ein fundiertes Knowhow Vorteile, die z.B. im beruflichen Umfeld genutzt werden können, doch sind Lücken auf dieser höchsten Kompetenzebene nicht ‘per se’ problematisch.
Besonders Kompetenzlücken im Bereich der digitalen Grundfertigkeiten haben weitreichende Konsequenzen. Betroffenen droht der Ausschluss aus der Gesellschaft und Berufswelt. Dagegen müssen Defizite auf Stufe ‘Befähigung’ nicht immer schwerwiegende Folgen haben. Dennoch ist zu erwarten, dass durch die Digitalisierung in den kommenden Jahren auch auf dieser fortgeschrittenen Kompetenzebene die gesellschaftlichen und beruflichen Anforderungen weiter zunehmen werden und sich die Grenze der vorausgesetzten Grundfertigkeiten zunehmend nach oben verschieben werden.
Ursachen unzureichender digitaler Kompetenzen
Ausgehend vom differenzierten Verständnis digitaler Kompetenzen können die Ursachen von Kompetenzlücken durch verschiedene Erklärungsansätze beschrieben werden.
Ein wichtiger Faktor ist sicherlich der im Bereich der digitalen Grundkompetenzen rasch voranschreitende Wandel. Was heute an Kompetenzen noch ausreicht, kann morgen bereits unzureichend sein, um die gestellten gesellschaftlichen und beruflichen Anforderungen bewältigen zu können. Entsprechend ist auch eine stetige Adaption der eigenen Fertigkeiten notwendig, um diesem Wandel folgen zu können. So betrifft der technologische Wandel zunehmend auch Personengruppen, die bis anhin den allgemein erwarteten Ansprüchen genügten und neuerdings mit Schwierigkeiten konfrontiert sind. Entsprechend ist es auch die Gesellschaft, die definiert, wer von Lücken im Bereich digitaler Grundkompetenzen betroffen ist.
Zusätzlich zu dieser gesellschaftlichen Ebene kommt dem individuellen Lebensumfeld eine grosse Bedeutung zu: So ist als wichtiger Faktor das Bildungsniveau zu nennen. Studien zeigen, dass das individuelle Bildungsniveau massgebend für die informationsbezogene Nutzung des Internets ist. Tiefer gebildete Nutzerinnen und Nutzer verbringen zwar tendenziell mehr Zeit im Internet, nutzen dieses als Ressource (etwa zu Bildungs- und Geschäftszwecken) aber weniger effizient. Stattdessen sind bei diesen Nutzergruppen alltägliche Aufgaben und/oder Unterhaltungszwecke zentral. Es ist daher davon auszugehen, dass die Internet-Nutzung traditionellen sozialen, ökonomischen und kulturellen Mustern folgt und von ähnlichen sozialen oder strukturellen Ungleichheiten geprägt ist, die sich auch in der ‘Offline’-Welt respektive im Alltag fernab digitaler Technologien zeigen. Hier wird auch der Bezug zu den anderen Grundkompetenzen ersichtlich, da Lücken bei den digitalen Grundkompetenzen auch mit anderen Schwierigkeiten bei den Grundkompetenzen, etwa einer Schwäche im Bereich des Lesens und Schreibens, einhergehen können. Weitere Faktoren können fehlendes Interesse, zu geringer wahrgenommener Nutzen oder fehlende finanzielle Mittel sein (wenn beispielsweise aus finanziellen Gründen die entsprechenden Geräte nicht vorhanden sind). Ausserdem ist der Einsatz digitaler Geräte für Menschen mit Beeinträchtigungen schwierig, da digitale Inhalte oft nicht an spezielle Bedürfnisse (Lesbarkeit, Komplexität der Inhalte, Navigationsfähigkeit) angepasst sind.
Entgegen weitverbreiteter Annahmen sind junge Menschen (in diesem Zusammenhang häufig als ‘Digital Natives’, ‘Generation Y’ oder ‘Generation Z’ bezeichnet) nicht grundsätzlich geübter im Umgang mit Informations- und Kommunikationstechnologien. Studien zeigen, dass Jugendliche und junge Erwachsene im Vergleich zur restlichen Gesellschaft nicht über eine effizientere Nutzung von digitalen Technologien verfügen und ihre eigenen digitalen Fertigkeiten oftmals überschätzen. Die Häufigkeit der Nutzung digitaler Geräte und Anwendungen lässt somit keine grundsätzlichen Rückschlüsse auf tatsächlich vorhandene digitale Kompetenzen zu. Eine Studie des Bundesamts für Statistik hält hierzu fest:
Im Hinblick auf einen erfolgreichen Vollzug des digitalen Wandels könnte die Situation der jungen Generationen in Bezug auf die digitalen Kompetenzen Anlass zur Sorge geben.
Bundesamt für Statistik 2018
Defizite im Bereich digitaler Grundkompetenzen betreffen folglich nicht nur ältere Menschen in der Schweiz. Sie sind ein gesamtgesellschaftliches Phänomen und werden eher durch bestehende soziale Ungleichheiten verstärkt. Folglich ist ein differenzierter Ansatz bei der Betrachtung der Ursachen der digitalen Ungleichheit gefragt, der berücksichtigt, dass der sozioökonomische Status von Menschen deren Zugang und die Nutzung von digitalen Geräten und Inhalten massgeblich beeinflusst.
Folgen unzureichender digitaler Grundkompetenzen
Folgen für Betroffene
Die Folgen von Kompetenzlücken im Bereich der digitalen Grundkompetenzen zeigen sich für Betroffene in unterschiedlichen Problemfeldern. Zum einen droht ihnen mit dem digitalen Wandel zunehmend der gesellschaftliche Ausschluss, zum anderen besteht die Gefahr, dass sie neuen Anforderungen des Berufslebens nicht mehr genügen. Laut Erhebungen des Bundesamts für Statistik (2018) verfügt fast ein Viertel der Schweizer Bevölkerung über keine oder nur geringe digitale Kompetenzen.
Gesellschaftlicher Ausschluss
Werden Dienstleistungen nur noch über digitale Zugänge angeboten, besteht die Gefahr der sozialen Ausgrenzung einzelner Gesellschaftsgruppen. Zahlreiche Beispiele sind diesbezüglich im Alltag zu beobachten:
- Finanzdienstleistungen von Banken und der Post werden primär über das Internet angeboten. Alternative OfflineLösungen werden zusätzlich in Rechnung gestellt.
- Administrative Verfahren und staatliche Dienstleistungen (z.B. die Bestellung eines Reisepasses, Einreise in einen Drittstaat) erfordern eine vorherige Registrierung über das Internet oder können nur noch über «digitale Schalter» bezogen werden.
- Fahrkarten des öffentlichen Verkehrs können fast ausschliesslich am TouchScreen Automaten mit Kartenzahlung erworben werden.
- Tickets für kulturelle Anlässe sind oft nur über das Internet erhältlich.
- Zahlungsvorgänge werden zunehmend über Kreditkarten abgewickelt und/oder sind nur noch in digitaler Form (z.B. über eine SmartphoneApp) möglich.
- Grosshändler setzen SelfScanning-Kassen ein, nur wenige Kassen sind bedient.
- Mediale Inhalte verschieben sich ins Internet (Podcasts, Video on Demand).
- Soziale Interaktionen verlagern sich in digitale Foren (z.B. Chatgruppen, Social Media).
Betroffene, die nicht mit digitalen Geräten vertraut sind, werden von obigen und ähnlichen Dienstleistungen oftmals ausgeschlossen oder sind zu deren Nutzung auf die Hilfe anderer Personen angewiesen. Für konventionelle Offline-Alternativen – sofern sie noch angeboten werden – fallen in der Regel zusätzliche Gebühren an, die den Charakter einer ‘Strafgebühr’ annehmen. Betroffene verzichten in der Folge häufig auf die Beanspruchung solcher Dienstleistungen. Sie zögern etwa den öffentlichen Verkehr zu nutzen oder bleiben kulturellen Veranstaltungen fern. Dadurch wird ihr Selbstverständnis tangiert. Sie zweifeln an ihren eigenen Fähigkeiten und verlieren oftmals den Mut und die Motivation, um mit dem digitalen Wandel Schritt zu halten, was die gesellschaftliche Isolation weiter verstärkt. Ausserdem laufen sie Gefahr, nicht mehr über alle relevanten gesellschaftlichen Aktualitäten, etwa politische Sachgeschäfte, behördliche Anweisungen oder konsumrelevante Informationen, unterrichtet zu sein. Auch fällt in besonders gravierenden Fällen der Anschluss an die sozialen Bezugspersonen (Familie, Freunde, etc.) schwer, wenn sich die Kommunikation weitgehend in den digitalen Raum verlagert.
Erschwerte berufliche Integration
Die Anforderungen an digitale Grundkompetenzen steigen auch in der Berufswelt. Erwerbstätige mit entsprechenden Lücken weisen tendenziell schlechtere Berufsaussichten und eine tiefere Jobsicherheit auf. Ferner sind sie in ihrer beruflichen Selbstbestimmung eingeschränkt:
Zum einen sind bereits bei der Jobsuche grundlegende digitale Fähigkeiten von Vorteil. Viele Jobinserate werden ausschliesslich auf Internetportalen aufgeschaltet und häufig werden nur noch digitale Bewerbungen entgegengenommen. Das Zusammenstellen eines konkurrenzfähigen Bewerbungsdossiers erfordert Grundkenntnisse in der Textverarbeitung (etwa in Office-Programmen). Schliesslich nimmt der Stellenwert der Selbstvermarktung und Vernetzung über soziale Medien zu.
Zum anderen sind digitale Grundkompetenzen zunehmend eine zentrale Voraussetzung, um die eigene Arbeitsmarktfähigkeit zu erhalten. So besteht kaum ein Unternehmen, dass nicht auf digitalisierte Anwendungen und Prozesse angewiesen ist, sei es beim Verfassen von Berichten oder Rapporten, der Informationsbeschaffung, der Dokumentation von Projekten, der (digitalen) Kommunikation mit Kunden und Partnern, der Leistungsabrechnung, dem elektronischen Zahlungsverkehr oder der digitalisierten Aufbewahrung von Dokumenten. Auch kleine Handwerksbetriebe sind vermehrt auf digital gesteuerte Maschinen und digitale Anwendungen angewiesen (u.a. um kostengünstiger produzieren und/oder die eigenen Dienstleistungen über das Internet bewerben und vertreiben zu können). Genauso wird der geschäftliche Einkauf immer häufiger über das Internet oder andere digitale Schnittstellen abgewickelt. Gleichermassen sind heute selbst Berufsfelder wie das Gast-, das Beförderungs- und das Reinigungsgewerbe von der Digitalisierung betroffen, die früher wenig diesbezügliche Kompetenzen erforderten: Aufträge (Übernachtungsreservationen, Fahr- und Reinigungsaufträge etc.) werden vermehrt über digitale Anwendungen (Apps auf Handy oder Tablet) entgegengenommen, die Abrechnung der Dienstleistungen erfolgt digitalisiert. Dies alles setzt beim ausführenden Personal grundlegende digitale Kompetenzen voraus, ohne die es schwierig wird, die eigene Arbeitsmarktfähigkeit längerfristig zu erhalten. Dieser Trend ist auch bei anderen geschäftlichen Routineaufgaben (von Sekretariatsarbeiten bis zu Produktionsarbeiten) zu beobachten, da im Zuge der Effizienzsteigerung entsprechende Aufgaben automatisiert oder gar eliminiert werden.
Diese Aufzählung ist keineswegs abschliessend. Doch macht sie deutlich, dass kaum mehr Arbeitsbereiche bestehen, die nicht von der Digitalisierung betroffen sind – mit entsprechenden Risiken und Folgen für die Betroffenen.
Gesellschaftliche Folgen – Digitale Kluft
In gesellschaftlicher Hinsicht ist im Zusammenhang mit den erschwerten Anschlussmöglichkeiten der sogenannte «digital gap» eine zentrale Herausforderung: Das Konzept der digitalen Kluft beschreibt die unterschiedlichen individuellen Zugangsmöglichkeiten zu Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT). Im Mittelpunkt steht die Frage, wie und zu welchem Zweck digitale Technologien und das Internet im Alltag genutzt werden, welche neuen Disparitäten durch das unterschiedliche Nutzungsverhalten entstehen und wie sie sich auf bestehende soziale Ungleichheiten auswirken. Dabei ist heute weniger relevant, wer überhaupt Zugang zu digitalen Ressourcen hat (z.B. Zugang zum Internet), sondern wie diese für die Informationsgewinnung genutzt werden. Informationen sind für die Teilnahme an der Gesellschaft unerlässlich, da sie mit Produktivität, Einfluss, Vernetzung und Macht einhergehen. Im digitalen Zeitalter lösen digitalisierte Informationen analoge Druckerzeugnisse ab. Menschen ohne ausreichende digitale Grundkompetenzen laufen daher Gefahr, bei der Beschaffung, Aufbereitung und Nutzung relevanter Informationen benachteiligt zu werden. Sie sind durch den Informationsmangel von der Ausgrenzung aus dem gesellschaftlichen Alltag bedroht. Zudem fällt es Betroffenen schwerer, ihre erlangte gesellschaftliche Position (im Sinne ihres ‘Status Quo’) zu behalten und sich neue strategische Fähigkeiten – auch in beruflicher Hinsicht – anzueignen.
In diesem Zusammenhang gilt es zu verstehen, welcher Einfluss die digitale Kluft auf die sozialen Machtstrukturen und die Lebensqualität hat und welcher reale Nutzen aus der Anwendung digitaler Ressourcen für Individuen resultiert: Die Digitalisierung verstärkt über den «digital gap» bestehende soziale Ungleichheiten, da vor allem die ‘Informationselite’ profitiert, die bereits über mehr technische, finanzielle, soziale oder kulturelle Ressourcen verfügt. Benachteiligt sind hingegen diejenigen Gesellschaftsschichten, die unzureichend informiert oder vernetzt sind und nicht im Besitz der nachgefragten Fertigkeiten sind. Selbst wenn der Zugang zu digitalen Technologien für breite Bevölkerungsschichten erleichtert wird, werden statusbedingte Unterschiede die digitale Kluft weiterhin prägen.
Die digitale Kluft lässt sich sowohl auf globaler als auch auf nationaler Ebene beobachten. Globale Unterschiede sind meist auf den volkswirtschaftlichen Wohlstand oder den technologischen Fortschritt in den einzelnen Ländern/Regionen zurückzuführen. Nationale Diskrepanzen ergeben sich wie beschrieben oftmals aus sozialen Ungleichheiten, da nicht alle sozialen Schichten gleichermassen in die Informationsgesellschaft integriert sind. Insbesondere die zweite, nationale Ebene, die sich mit der unterschiedlichen Nutzung von Informations- und Kommunikationsressourcen innerhalb einer Gesellschaft beschäftigt, ist im vorliegenden Kontext von Bedeutung. Sie führt nicht zuletzt auch zur gesellschaftlichen Problematik der ‘demokratischen’ Kluft. Diese beschreibt die ungleiche Nutzung des virtuellen (digitalen) Raums durch verschiedene politische Gruppen und weist darauf hin, dass einzelne Gesellschaftsschichten aus dem politischen Geschehen, u.a. auch infolge fehlender digitaler Zugangsmöglichkeiten, ausgeschlossen werden. Ihre Interessen werden demnach in der öffentlichen Debatte nicht angemessen wahrgenommen, unter anderem, weil sie auch durch keine Lobby vertreten werden. Daher ist ihre Einflussnahme auf die öffentliche Meinungsbildung sehr begrenzt. Entsprechend besteht ein Risiko, dass politische Partizipationsrechte als Folge fehlender digitaler Kompetenzen (zusätzlich) beschnitten werden.
Volkswirtschaftliche Folgen
Auf einer ökonomischen Ebene lässt sich festhalten, dass es Betroffenen durch die steigenden Anforderungen an digitale Grundkompetenzen zunehmend schwerfällt, dem beruflichen Anforderungsprofil zu entsprechen (sogenannter ‘Mismatch’) und mit der technologischen Entwicklung Schritt zu halten. Dies mit Folgen für die Volkswirtschaft: Einerseits gibt es Anzeichen, dass sich das Lohngefälle, insbesondere bei Geringqualifizierten, weiter vergrössert. Hieraus entstehen Konsequenzen für das Umfeld der Betroffenen, sei es aus finanzieller und/oder sozialer Sicht, es stellen sich aber auch Fragen zu fairen Entlohnungssystemen auf betrieblicher und gesamtwirtschaftlicher Ebene. Andererseits haben geringe digitale Kompetenzen ein erhöhtes Risiko für Phasen der Arbeitslosigkeit und eine erschwerte Integration in den Arbeitsmarkt zur Folge. Auch dies ist mit entsprechenden volkswirtschaftlichen Auswirkungen und Kosten verbunden, die zukünftig noch stärker sichtbar zu werden drohen.
Durch die Digitalisierung nimmt der Bedarf an qualifizierten Fachkräften weiter zu. Die Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit hiesiger Unternehmen setzt ein genügend grosses Angebot an gut qualifizierten Fachkräften voraus, wobei grosse Kontroversen darüber bestehen, inwieweit der ‘digitale’ Strukturwandel Arbeitsplätze eliminiert oder selbst Beschäftigungsmöglichkeiten in neuen Arbeitsbereichen schafft. Gewiss sind hierzulande die Voraussetzungen grundsätzlich gut, dass sich durch den digitalen Strukturwandel attraktive Chancen ergeben und neue Berufsmarktperspektiven entstehen. Damit diese volkswirtschaftlichen Herausforderungen aber gemeistert werden können und die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Schweiz bewahrt werden kann, müssen die staatlichen und betrieblichen Strukturen sicherstellen, dass die Arbeitnehmenden mit der Entwicklung Schritt halten können und allfällige negative Konsequenzen der Digitalisierung für Betroffene durch entsprechende Angebote und Hilfeleistungen abgefedert werden. Dazu sind zivile, wirtschaftliche und politische Akteure gefordert, den Bedarf an Bildung und zusätzlicher Unterstützungsmassnahmen zu evaluieren und zeitnah aktiv zu werden.
Digitale Inklusion als Folge
Für den sozialen und kulturellen Zusammenhalt ist es von grösster Bedeutung, dass Menschen mit bereits vorhandenen oder in naher Zukunft entstehenden Kompetenzlücken an digitalen Kompetenzen sich nicht in prekären Lebenssituationen wiederfinden, nicht von Angeboten und Dienstleistungen ausgeschlossen werden, ihre politischen Partizipationsrechte ausüben können, angemessene Hilfe und Unterstützung erhalten und letztlich ihre chancengleiche, gesellschaftliche Teilhabe gewährleistet ist. Die technologische Innovation ist zwar nicht ‘per se’ dafür verantwortlich, Ungleichheiten zu verursachen. Doch hat die Digitalisierung entgegen früheren Annahmen nicht zur (erwünschten) Demokratisierung der Gesellschaft beigetragen, sondern soziale und digitale Bruchlinien verstärkt. Diese Tendenzen lassen sich nur durch verstärkte Bildungsbemühungen im Bereich digitaler Befähigung respektive digitaler Partizipation sowie der Aufrechterhaltung analoger Zugänge auffangen. Sie sind massgebend, um das Recht auf lebenslanges Lernen, die Sicherstellung gesellschaftlicher Integration, den Zugang zu staatlichen, kulturellen und edukativen Ressourcen und Dienstleistungen sowie die Integrität und Unabhängigkeit aller Gesellschaftsschichten gewährleisten zu können.
Orientierungsrahmen zu digitalen Kompetenzen
In der Schweiz lancierte der Bundesrat 2016 die Strategie «Digitale Schweiz». Sie beabsichtigt, dass die sich aus der Digitalisierung ergebenden Chancen optimal genutzt werden. Als eine der zentralen Handlungsachsen verfolgt die Strategie unter anderem das Ziel der ‘digitalen Befähigung’:
Alle Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz sowie Schweizer Bürgerinnen und Bürger im Ausland sollen auch in Zukunft befähigt werden, in kompetenter Weise an digitalisierten, politischen, sozialen, wirtschaftlichen und Kulturellen Prozessen teilzunehmen. … Um die Menschen zu befähigen, bedarf es einer verstärkten Vermittlung der notwendigen digitalen und transversalen Kompetenzen.
Auszug aus der Strategie «Digitale Schweiz» des Bundesamts für Kommunikation 2018
Diesem Ziel folgend wurde 2019 im Zusammenhang mit der Umsetzung des Weiterbildungsgesetzes unter Leitung des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) ein Orientierungsrahmen zu digitalen Grundkompetenzen für die Schweiz erarbeitet. Dieser «dient Subventionsgebern, den Organisationen der Weiterbildung und vermittelnden Stellen als Orientierungshilfe, den Bereich der IKT-Grundkompetenzen konkreter beschreiben zu können» (Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation SBFI 2019).
Zur Ermittlung der wichtigsten Handlungsbereiche bezieht sich der Orientierungsrahmen auf «spezifische Aufgaben im täglichen Leben und am Arbeitsplatz», welche es durch die Beherrschung der entsprechenden digitalen Kompetenzen typischerweise zu bewältigen gilt:
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Der Orientierungsrahmen des SBFI fasst die obigen Aufgaben in fünf Handlungskompetenzbereichen zusammen und listet zugehörige Handlungskompetenzen auf. Ausserdem zeigt er auf, welche transversalen Kompetenzen vorausgesetzt sind, die sich aus den anderen im Weiterbildungsgesetz aufgeführten Grundkompetenzen ergeben (Lesen und Schreiben, Alltagsmathematik sowie mündliche Ausdrucksfähigkeit).
Abbildung gemäss Orientierungsrahmen des SBFI 2019
Laut dem Orientierungsrahmen sind insbesondere die Nutzung von digitalen Geräten und Online-Diensten, die Informationsbeschaffung und die digitale Kommunikation zentral. Dabei soll auch die Achtung der Privatsphäre, des Urheberrechts, des Datenschutzes und der persönlichen Gesundheit mitberücksichtigt werden. In Anbetracht des raschen technologischen Fortschritts ist eine laufende Anpassung des Orientierungsrahmens notwendig und vorgesehen. Entsprechend unterliegt auch die Definition der zentralen digitalen Grundkompetenzen einem stetigen Wandel.
Kurse suchen
Lokale Kursangebote im Bereich Grundkompetenzen finden Sie in allen drei Sprachregionen der Schweiz.
Die Kurse richten sich an Erwachsene, die nicht über ausreichend Grundkompetenzen verfügen, um den Anforderungen des täglichen und beruflichen Lebens gerecht zu werden.
Für Informationen zu Kursen in den Bereichen
Lesen & Schreiben
Rechnen
Digitale Grundkompetenzen
Suchen Sie direkt auf der Webseite von «Einfach besser!» nach einem passenden Kurs in Ihrer Region:
Oder Sie rufen an auf der Gratis-Hotline:
0800 47 47 47
Literaturhinweise Bundesamt für Kommunikation. 2020. Strategie Digitale Schweiz, abrufbar unter: Zur Website. Bundesamt für Statistik. 2019. Ungleiche Verteilung digitaler Kompetenzen bei Internetnutzerinnen und -nutzern in der Schweiz: Neuchâtel: Bundesamt für Statisktm abrufbra unter: Zur Website. Bundesamt für Statistik. 2021. Erhebung zur Internetnutzung 2021: Kultur, Medien, Informationsgesellschaft, Sport. Neuchâtel: Bundesamt für Statistik, abrufbar unter: Zur Website. Kluzer Stefano, Punie Yves, Vuorikari, Riina. 2022. DigComp 2.2: The Digital Competence Framework for Citizens. With new examples of knowledge, skills and attitudes. Luxembourg Publication Office of the European Union, abrufbar unter: PDF-Dokument. Peter, Marc K, Christ Miriam, Lindeque, Johan, Mändli Lerch, Strohm, Volker. 2022. Digitale Schweiz 2022: Monitor Bank WIR #1. Projektbericht. FHNW Hochschule für Wirtschaft, gfs-zürich, Bank WIR. Basel und Olten, Juni. Abrufbar unter: zur Website. Rat der Europäischen Union. 2018. Empfehlung des Rates vom 22. Mai 2018 zu Schlüsselkompetenzen für lebenslanges Lernen. Rat der Europäischen Union, abrufbar unter: PDF-Dokument. Risiko-Dialog. 2024. Mobiliar #DigitalBarometer 2024. Die Stimme der Schweizer Bevölkerung, abrufbar unter: PDF-Dokument. Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innvoation SBFI. 2019. Orientierungsrahmen Grundkompetenzen in Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT), abrufbar unter: Zur Website. Weitere verwendete Literatur |